Es war Freitag, ich war über den Termin, die Schwiegereltern waren zu Besuch. Das perfekte Wochenende, um unser drittes Kind zur Welt zu bringen.

Wir wünschten uns so sehr, dass es an genau diesem Wochenende passiert, denn ansonsten hätten wir ein ziemlich großes Problem. Wir müssten die Kinder irgendwie unter bekommen. Wer kurz vor der Entbindung steht, keine Verwandtschaft in der Nähe hat und noch weitere Kinder versorgen muss, weiß wahrscheinlich wovon ich rede.

Ich wollte gar nicht daran denken müssen, dass ich zur Not alleine im Kreißsaal liege, wenn unsere Tochter das Licht der Welt erblickt. Ganz ohne meinen Mann. Unvorstellbar für mich, wenn er mir nicht die Hand halten würde um mich zu unterstützten. Vor allem aber auch, wenn er dieses große Ereignis verpassen würde, wenn unsere Tochter nach langem warten endlich da ist! Die Kinder wachen Nachts noch so häufig auf. Mit ihren 2 und 5 Jahren sind sie es nicht gewohnt, dass in der Nacht wer anders auf sie aufpasst. Sie kennen es nicht, dass wir nicht da sind. Aber die Großeltern sind ein guter Ersatz, so hofften wir, dass es an diesem Wochenende passieren würde.

Also fuhren wir ins Krankenhaus und baten um eine Einleitung.

Das Krankenhaus und der Hebammenmangel

Wir hatten uns genau dieses kleine Krankenhaus ausgesucht. Hier wurde ich doch zuletzt so wahnsinnig gut betreut, als ich unseren Sohn in der 18. Schwangerschaftswoche tot zur Welt bringen musste.

Nun, es war einige Zeit vergangen und die Hebamme die den Kreißsaal damals leitete, war nicht mehr da. Es gab keine Kreißsaalleitung.

Als wir ankamen, erfuhren wir, dass das Krankenhaus gerade einen richtigen Babyboom hinter sich hatte.  Wir waren daher froh, dass wir nicht in diesem Zeitraum den Entbindungstermin hatten.

Unserer Bitte nach einer Einleitung wollten die Ärzte nicht nachkommen. Es wäre zu gefährlich, wenn man bereits einen Kaiserschnitt hatte. Und da ich noch nicht weit über Termin war, lehnten sie ab.

Zuvor bei der Geburtsplanung mit dem Chefarzt, als zur Frage stand, ob ich dieses Kind auch per Kaiserschnitt gebären muss, wäre es auf Wunsch natürlich kein Problem gewesen eine Sectio durchzuführen. Ich denke, auch eine OP ist nicht ungefährlich. Aber das ist an dieser Stelle nicht das Thema. Ich kann schon verstehen, dass Ärztin und Hebamme eine Einleitung noch nicht durchführen wollten.

Trotzdem wurde ich erstmal ans CTG gelegt, um zu sehen, ob denn überhaupt schon etwas im Gange ist. Und siehe da, ich hatte richtige Wehen!

Wow, so ist es ja noch besser!

Die Geburt geht los

Ich wollte natürlich alles tun, um die Geburt zu beschleunigen. Ich ging mit meinem Mann spazieren und bat um etwas natürliches um die Geburt anzustoßen. Ich hatte mir ein Eisenkrautbad gewünscht, da ich damit zuvor gute Erfahrungen gemacht hatte.

Erfreut waren die Hebammen scheinbar nicht darüber, sie konnten nicht verstehen, warum ich es so eilig habe. Trotzdem ließen sie mir ein Bad ein. Es tat sich nicht all zu viel. Die Wehen waren aber schon so stark, das ich beschloss, mich stationär aufnehmen zu lassen. Ich hoffte doch, dass meine Maus in dieser Nacht noch zur Welt kommen würde.

Ich fragte die Hebammen nach Rat, ob ich noch etwas tun könnte, aber hier bekam ich nicht viel Hilfe. Schließlich bat ich um einen Wehentee.

Einen einfachen, natürlichen Wehentee!

Aber auch diesen musste ich mir “erkämpfen”. Ich musste mir anhören, dass ich doch nicht soviel auf einmal machen soll (ich merke an, dass ich mir bisher lediglich ein Eisenkrautbad gegönnt hatte). Es wäre besser, ich würde einfach schlafen gehen. Schließlich bekam ich mein Heißgetränk doch und nahm es mit aufs Zimmer.

Erst stehen wir vor verschlossenem Kreißsaal – beim nächsten Versuch wurden wir abgewiesen

Die Wehen wurden stärker und gegen 22:00 Uhr beschlossen mein Mann und ich noch einmal zum Kreißsaal zu gehen um kontrollieren zu lassen.

Keiner machte auf, und da wir eine Gebärende ziemlich laut schreien hörten, zogen wir uns zurück und versuchten es gegen 00:00 Uhr noch mal. Uns wurde gesagt, es sei keine Zeit für ein CTG, ich sei noch nicht soweit und mein Mann könne nach Hause zu den Kindern fahren.

Mein Mann fuhr und ich ging nervös auf mein Zimmer. Ich bekam immer stärkere Wehen, konnte aber komischerweise (wofür ich sehr dankbar war) schlafen. Doch um kurz vor 4 wurde es heftig. Die Abstände, die ich mit meiner Wehenapp maß, waren alle 1,5 Minuten. Nun kam leichte Panik in mir auf. Ich fühlte, wie ich anfing zu zittern. Mein Herz pochte schneller. Ich klingelte, aber keine Krankenschwester kam. Also machte ich mich unter starken Schmerzen selbst auf den Weg. Meine Hände glitten an den Gehhilfen der Wand entlang, die mir Halt gaben. Der Weg dorthin schien endlos und ich hoffte, nicht zusammen zu brechen und nicht gefunden zu werden.

Der Weg zum Kreißsaal. Alleine mit starken Wehen.

Am Schwesternzimmer machte ich kurz Halt, erwischte eine Schwester und bekam von ihr meine Dokumenten unter den Arm geklemmt. Mich in den Kreißsaal begleiten, der mehrere Stockwerke tiefer lag, konnte sie nicht. Ich musste also alleine mit dem Aufzug, durch die Gänge, unter starken Wehen, den Weg finden. Es hätte so viel passieren können.

Angekommen im Kreißsaal

Unten angekommen wurde ich in den Kreißsaal gebracht. Nach einer viertel Stunde kam die Hebamme und hat mich ans CTG geschlossen. Dann ging sie wieder in den anderen Kreißsaal, in dem eine Frau gerade ihr Baby zur Welt brachte. Eine halbe Stunde später kam sie wieder vorbei. Sie verkündete mir unfreundlich und verärgert, dass ich nur alle 7 Minuten Wehen hätte. Mein Wehenabstand hatte sich also scheinbar wieder verändert.  Ich konnte ihre Verärgerung nicht verstehen. Kurze Zeit später wurde es auch Ernst, so lange kann der Abstand also nicht gewesen sein. Da alles in der Hand der Hebamme liegt, traute ich mich auch nicht, irgend einen Einwand zu bringen. Ich fühlte mich so klein, schließlich hatte sie es in der Hand mich leiden zu lassen.

Die Hebamme verschwand wieder und ich beschloss meinen Mann anzurufen und ihn her zu bestellen. Gut dass ich dies gemacht habe, denn die Hebamme hat mich wieder einfach alleine liegen lassen. Es ging ja auch nicht anders, denn das Krankenhaus hat nur eine Hebamme und eine Assistenzärztin in der Schicht. Diese arbeitet zudem noch  noch 24 Stunden am Stück arbeitet.  Abgesehen davon hatte ich aber trotzdem das Gefühl, dass ihr dies, ziemlich egal war.

Die Fruchtblase platzt und die Geburt beginnt

Gott sei Dank war mein Mann innerhalb von 20 Minuten bei mir und konnte mich unterstützen. Irgendwann konnte ich nicht mehr, ein noch stärkerer Schmerz kam über mich und ich hatte das Gefühl, dass meine Fruchtblase geplatzt ist. Ich schrie so laut, vor Schmerz und Angst. Auch in der Hoffnung, dass die Hebamme endlich zu uns kommen würde um zu helfen.

Und so passierte es auch. Ziemlich schnell kamen nun Hebamme und Assistenzärztin angelaufen. Scheinbar konnte man meinem Schrei entnehmen, dass es ernst wurde.

Doch mir wurde gesagt: “Ihre Fruchtblase ist geplatzt?! Ist sie nicht, es ist nichts nass!” Der Ton der Hebamme war alles andere als freundlich.

Ich versuchte mich zu entschuldigen und meinte, dass es sich aber so anfühle.

Sie legten mich hin, ich fragte vor Schmerzen noch, ob nicht noch eine PDA möglich wäre. Doch die Hebamme meinte nur ziemlich hämisch: “Sie wollten unbedingt heute ihr Kind, jetzt bekommen sie heute ihr Kind!”

Ich empfand nicht das Gefühl, zur Toilette zu müssen, wie es in vielen Geburtsberichten beschrieben wird und war deshalb überrascht, als ich direkt die Beine hochnehmen sollte, um bei der nächsten Wehe zu pressen.

Nach ca. 20 Minuten Presswehen verließ mich so langsam meine Kraft und ich wusste nicht, ob ich es noch lange durchhalten würde.

Die Hebamme nahm das Skalpell und machte einen Schnitt. Nach nochmaligem Versuch, war das Gewebe immer noch zu fest und sie machte noch einen weiteren, größeren Schnitt. Schmerzlos war dies nicht, doch es ermöglichte meiner Tochter, endlich das Licht der Welt zu erblicken. Nach ein paar weiteren Presswehen war die kleine Maus endlich auf der Welt. Und ich viel zu schwach, es so richtig wahrzunehmen.

Meine Tochter ist auf der Welt

Ich war wahnsinnig erleichtert, dennoch konnte ich in diesen Sekunden nicht viel fühlen, da mein Körper einfach nur kraftlos war.

Die Hebamme wollte meinem Mann die Schere in die Hand drücken um die Nabelschnur durchzuschneiden.

Ich unterband dies mit einem lauten, klaren “Nein!”. Ich wollte die Nabelschnur auspulsieren lassen. Dies hatte ich zuvor mit dem Chefarzt besprochen, er meinte, dass dies nur bedingt möglich sei, dass es aber versucht werden würde, soweit es geht. Die Hebamme schaute mich verärgert an, und erklärte mir, dass sie auspulsiert war. Das konnte ich aufgrund der kurzen Zeit nicht glauben und entgegnete, dass es mir wirklich wichtig sei, dass sie auspulsiert. Noch verärgerter drückte sie meinem Mann die Schere in die Hand und wiederholte, sie WÄRE auspulsiert. Ich merkte an, dass mein Mann kein Blut sehen kann und er dies nicht tun würde. Er schaute mich kurz an und gab mir zu verstehen, dass er es machen würde. Ich nickte ihm zu. Mir blieb ja nichts anderes über, als der Hebamme Glauben zu schenken.

Die Nabelschnur wird durchgeschnitten & der PH Wert entnommen

Mein Mann schnitt die Nabelschnur durch. Dann wurde ihm die Kleine in die Hand gedrückt. Nun bekam ich noch mit, wie der Nabelschnur der PH Wert entnommen wurde. Dies kann nur geschehen, wenn sie noch pulsiert 🙁

Unversorgt warte ich auf die Ärztin, die schon bei der nächsten Geburt ist

Die Hebamme und die Assistenzärztin verließen den Kreißsaal und meinten, sie kämen dann zum Nähen wieder. Sie müssen jetzt erstmal in den nächsten Kreißsaal.

Denn dort lag eine Frau in den Presswehen. Sie durfte/konnte nicht pressen, weil die Hebamme und die Assistenzärztin bei uns waren. Das erfuhr ich im Nachhinein, da es eine Bekannte aus unserem Ort war. Sie erlebte also das Gleiche, wie ich. Das Baby war dann relativ schnell auf der Welt, sodass ich nach EINER STUNDE, in der ich unversorgt im Kreißsaal lag – blutend, mit Schmerzen, ohne Schmerzmittel, ohne alles – endlich genäht werden konnte.

Endlich wurde ich genäht

Ich war froh, dass die Vorhänge auf mein Bitten hin, zugezogen wurden und ich das Nähen nicht auch noch sehen musste. Denn in den Fenstern spiegelte sich das ganze Spektakel. Mein Mann hatte die Kleine auf dem Arm, und hat all die Anstrengung mit mir durchgemacht. Da wurde ihm gesagt, er könne aber den Kreißsaal nicht verlassen, es laufen im Flur ja andere Frauen rum, die Entbunden haben. Ziemlich schnell wurde Hebamme und Assistenzärztin dann aber klar, dass sich mein Mann lieber woanders aufhalten wollte, als neben dem Kreissaalbett, das kurzerhand zu einem OP-Tisch umfunktioniert wurde.

Doch dann dauerte es, und dauerte. Er musste warten, und machte sich Sorgen. Sorgen, das etwas mit mir nicht stimmen könnte. Ich einen zu hohen Blutverlust habe oder sonst etwas. Und als dann noch die Ärztin, welche die Assistenzärztin nach ihrem 24 Stundendienst ablösen sollte hinzu gerufen wurde, wurde er ganz nervös. Er wusste nicht, was im Kreißsaal vor sich geht. Es hat einfach nur lange gedauert, weil ich innerlich wie äußerlich ordentlich gerissen bin, aber das konnte er nicht ahnen. Also machte er sich Sorgen.

Die Assistenzärztin die nun weiter genäht hatte, sowie die Hebamme, die zur Ablöse kam, waren mir eine Wohltat. Ich weinte einfach nur, weil das Nähen so brannte und schmerzte und ich so voller Angst war, dass ich nach dem Nähen sehr eingeschränkt sein könnte, da wirklich viel versorgt werden musste. Aber die Assistenzärztin tröstete mich und war so lieb zu mir. Ebenso die neue Hebamme. Ich konnte aufatmen, und als das Nähen vorbei war, konnte auch endlich wieder mein Mann zu mir. Ich durfte unsere wunderbare Tochter bestaunen, sie wurde gemessen und gewogen und angezogen. Es war so wundervoll, sie endlich bei uns zu haben und ich war so glücklich. Auch glücklich, dass ich sie nach einem ungeplanten Kaiserschnitt bei meiner ersten Tochter, natürlich auf die Welt bringen konnte. Dennoch beschloss ich zu diesem Zeitpunkt, dass ich sicher keine normale Geburt mehr haben würde, und für ein weiteres Kind nur noch ein Kaiserschnitt in Frage käme. Ein halbes Jahr später sehe ich es wieder anders. Aber definitiv würde ich sparen, um mir eine Beleghebamme leisten zu können, oder sogar im Geburtshaus entbinden zu können.

Die Hebamme versorgte mich zum Schluss gut. Die Äderchen in meinen Augen waren geplatzt, mein Oberkörper war übersät von blauen Punkten, die durch die Anstrengungen beim Pressen zustande kamen. Das hatte ich so auch noch nirgendwo anders gesehen. Aber nach ein paar Tagen wurde es besser.

Nach den Strapazen hatte ich das große Glück, ein Einzelzimmer zu bekommen. Das war sooooo viel Wert!!! Anders hätte ich es mir auch wirklich nicht vorstellen können. Das war in den anfangs komplizierten Umständen sehr viel wert.

Bis ich wieder halbwegs auf dem Dampfer war, vergingen drei Wochen. Anfangs hatte ich große Ängste, dass ich inkontinent werden könnte. Darüber spricht ja wirklich niemand, deswegen traf mich dies auch völlig unvorbereitet. Aber liebe Schwangere, brich nicht in Panik aus, wenn du diese Vermutung nach deiner Entbindung haben solltest. Vieles gibt sich nach einigen Tagen von selbst wieder!

Ja, das war er, der Tag, an dem unser kleines Wunder die Welt erblickte. Seit diesem Tag ist unser Leben noch reicher. Wir nennen sie nicht umsonst unser kleines Goldstück. Denn das ist sie wahrhaftig. Ein größeres Geschenk hätte Gott unserer Familie nicht machen können. Ein so großer Segen! Wenn auch die Geburt schwer war, für das eigene Kind würde ich es immer wieder durchmachen.

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Hoffentlich macht dir dieser Geburtsbericht keine Angst.

Ich sprach die Problematik mit dem Hebammenmangel bei der Oberärztin an. Sie meinte, dass es tatsächlich einige unbesetzte Stellen gäbe und auch keine Leitung besetzt wäre. ABER, selbst wenn diese Stellen besetzt WÄREN, wäre immer nur eine Hebamme und eine Assistenzärztin im Dienst, denn man könne ja nicht absehen, ob dieser Babyboom anhält.

Ich bin der Meinung, dass mindestens eine Hebamme Hintergrunddienst haben sollte, und in einem solchen Fall hinzugerufen werden muss.

Ich bin mir noch unsicher, ob ich der Klinikleitung davon berichten soll. Denn vermutlich geht es auch in solchen Einrichtungen viel um den Profit? Was denkst du darüber? Schreib es mir gern in die Kommentare.

EDIT: Durch einen Kommentar wurde ich darauf aufmerksam, das ich tatsächlich vergessen habe, das mir die Hebamme unter der Geburt noch ein Handtuch um den Bauch gebunden hat, mit welchem sie Leana nach unten gedrückt hat. Dies habe ich als absolut hilfreich empfunden. Hier muss ich die Hebamme wirklich loben.

Was die Hebammen leisten müssen, ist einfach unglaublich. Es liegt eine wahnsinnige Verantwortung auf ihnen, und ich kann verstehen, dass sie auch dermaßen überfordert mit der Anzahl an Geburten sind.

Was sich mir nicht erschließt ist, warum der Hebammenmangel im Kreißsaal herrscht, da viele freiberufliche Hebammen ja leider ihre Selbstständigkeit aufgrund unseres immer schlechter werdenden Systems aufgeben müssen. Weiß vielleicht jemand von euch, wie dies Zustande kommt? Vielleicht eine Hebamme unter euch? Sind es die Zustände im Krankenhaus? Zu schlechte Bezahlung?